Zwei Wissenschaftlerinnen für „Hanns-Lilje-Stiftungspreis Freiheit und Verantwortung“ nominiert

Nachricht 28. März 2019

Die Zukunft von Politik und Gesellschaft

Preisverleihung am 9. Mai 2019 in der Marktkirche Hannover

Wie lassen sich Vorurteile in der Wahrnehmung anderer Kulturen aufbrechen? Worin gründet sich ein demokratisches Selbstverständnis, das von rechtspopulistischen und nationalen Bewegungen in Frage gestellt wird? Welchen Beitrag bietet Theologie, um ideologische Konstruktionen für das gesellschaftliche Zusammenleben konstruktiv zu hinterfragen? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigen sich zwei Wissenschaftlerinnen, die jetzt für den „Hanns-Lilje-Stiftungspreis Freiheit und Verantwortung“ 2019 nominiert worden sind: die Theologin Prof. Dr. Claudia Jahnel und die Theologin Prof. Dr. Rebekka Klein. Beide lehren an der Ruhr-Universität Bochum.

 

Der Hanns-Lilje-Stiftungspreis wird alle zwei Jahre zu wechselnden Themen vergeben. In diesem Jahr steht die Zukunft von Politik und Gesellschaft im Zentrum. Verliehen wird der mit 10.000 Euro dotierte Preis in der Kategorie Wissenschaft für herausragende Promotionen und Habilitationen. „Wir wollen Forscher/innen auszeichnen, die mit ihren innovativen Beiträgen aktuelle Debatten zum Zusammenleben in einer pluralen Gesellschaft voranbringen und Kirche, Politik und Gesellschaft miteinander ins Gespräch bringen“, sagt der Sekretär der Hanns-Lilje-Stiftung, Prof. Dr. Christoph Dahling-Sander. Die Ausschreibung erfolgte bundesweit.
 

Ausgezeichnet werden die Preisträgerinnen im Rahmen der Veranstaltung „Kann Kirche Demokratie?“ mit dem ARD-Journalisten Arnd Henze und Landesbischof Ralf Meister am 9. Mai 2019, um 19.00 Uhr, in der hannoverschen Marktkirche.

 

Nominiert für den Hanns-Lilje-Wissenschaftspreis 2019

Hoffnungen auf den Gewinn des Wissenschaftspreises in Höhe von 10.000 Euro können sich die Theologin Prof. Dr. Claudia Jahnel und die Theologin Prof. Dr. Rebekka Klein machen.

 

Prof. Dr. Claudia Jahnel forscht zu afrikanischer Theologie vor dem Hintergrund aktueller globaler Veränderungen und aktueller gesellschaftlicher Herausforderungen. In ihrer Habilitation „Interkulturelle Theologie und Kulturwissenschaft. Untersucht am Beispiel afrikanischer Theologie“ entwirft sie eine konsequent kulturwissenschaftliche Orientierung Interkultureller Theologie und Philosophie. Sie deckt koloniale Strukturen gegenwärtiger theologischer und politischer Debatten auf, die beispielsweise den Abwertungen „des Anderen“ bzw. „des Fremden“ zugrunde liegen, und regt interkulturelle Lernprozesse an.

Mit dem scharfsinnigen Brückenschlag zwischen Kulturwissenschaft und Afrikanischer Theologie überzeugt Prof. Dr. Claudia Jahnel die Jury. Ihr gelingt es, Anregungen für Migrationsdebatten wie auch für Diskurse in der Entwicklungspolitik zu geben. Im Zentrum steht dabei die Entdeckung der gesellschaftlichen und politischen Relevanz afrikanischer Theologien. Höchst sensibel und äußerst versiert analysiert sie dazu die Konstruktionen von Kultur. Die exzellente wissenschaftstheoretische Reflexion interkultureller Herausforderungen macht deutlich, wie sehr aktuelle politische und gesellschaftliche Debatten noch durch koloniale Denkmuster und abwertende Fremdzuschreibungen geprägt sind. „Das mit afrikanischer Theologie Bezeichnete liegt nicht einfach als gegeben vor, sondern ist – so wie auch die Erfindung „Afrikas“, „der Afrikaner“ oder „der afrikanischen Kultur“ – das Ergebnis einer machtvollen Wissensproduktion.“ Die Analyse Jahnels bietet dagegen auf höchstem Niveau einen differenzierten Neuzugang. Afrikanische Theologien – und dementsprechend auch europäische / westliche Theologien – analysiert sie als Produkte zahlreicher kultureller, gesellschaftlicher und wissenschaftlicher Diskurse, die transnational und interkulturell bzw. transkulturell geprägt sind. Gerade deshalb spricht sie von „Interkultureller Theologie“ – Interkulturelle Theologie als eine Suche nach einer relationalen Wahrheit, kritisch und selbstreflexiv. So legt sie Grundlagen für wechselseitige interkulturelle Lernprozesse, in denen Theologie hier wie dort Wirkung in Politik und Gesellschaft zu entfalten vermag. Damit stößt Jahnel beispielgebend neue Diskurse an, die weit über die Theologie hinausgehen und das Zusammenleben in einer pluralen Gesellschaft fördern.


Prof. Dr. Rebekka Klein ist für ihre Habilitation „Depotenzierung der Souveränität. Religion und politische Ideologie bei Claude Lefort, Slavoj Žižek und Karl Barth“ nominiert. Mit ihr reagiert sie auf gegenwärtige Bedrohungen freiheitlich-demokratischer Ordnungen durch rechtspopulistische und nationale Bewegungen. Dazu bringt sie zeitgenössische philosophische und theologische Entwürfe miteinander ins Gespräch. Ihr Ergebnis: Gerade Theologie kann konstruktiv vor Augen führen, dass reflexive Ideologiekritik stets notwendig sei.

Mit ihrer Habilitation überzeugt Prof. Dr. Rebekka Klein die Jury durch ihre außerordentliche Versiertheit, die politischen Philosophen Claude Lefort und Slavoj Žižek mit Karl Barth, dem schulbildenden Theologen des 20. Jahrhunderts, produktiv ins Gespräch zu bringen. Die Fragestellung Kleins ist hoch relevant für das gesellschaftliche Zusammenleben in vielen Ländern: Rufe nach einem starken Staat drohen Demokratien auszuhöhlen. Staatliche Souveränität als Grundlage einer freiheitlichen, demokratischen und pluralen Gesellschaft soll durch rechtspopulistische und nationalistische Bewegungen neu definiert werden. Die damit verbundenen Konstruktionen staatlicher Macht, die zum Teil religiös begründet werden, fordern mit anderen Worten zu einer wehrhaften Demokratie heraus. Kleins Beitrag liegt darin, die emanzipatorische Kraft philosophischer und theologischer Begründungen für eine staatliche Souveränität herauszuarbeiten und gleichzeitig diese aber auch in Frage zu stellen. Die Bekämpfung neuer Ideologien könne durchaus ideologisch sein, müsse sich aber selbst einer steten Ideologiekritik unterwerfen. Dies gelte für philosophisch wie auch für theologisch begründete Kritiken an totalitärem Denken und Handeln. Mit anderen Worten: Depotenzierung der Souveränität als reflexive Ideologiekritik ist nötig und dafür bieten sowohl Philosophie als auch Theologie ein hohes Potential.

Die brillante Studie leistet einen fundamentalen Beitrag zu hochaktuellen Debatten und ist letztlich ein scharfsinniges Plädoyer für eine freiheitlich-demokratische Grundordnung. Sie zeigt in hervorragender Weise die Wirksamkeit von Philosophie und Theologie für die Zukunft von Politik und Gesellschaft.