Zu Hoffnung in einer krisenhaften Zeit rief Professor Dr. Heribert Prantl jetzt bei dem Abend „WORTWECHSEL“ in der Marktkirche Hannover auf. „Hoffnung ist der Wille zur Zukunft und fängt mit dem eigenen Tun an“, sagte der Autor und Kolumnist bei der Veranstaltung vor rund 400 Zuhörenden. Die Marktkirche und die Hanns-Lilje-Stiftung hatten Prantl, der langjähriges Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung war, zu dem Gesprächsabend eingeladen. An der Veranstaltung nahmen auch die Regionalbischöfin für den Sprengel Hannover, Dr. Petra Bahr, und die Intendantin am Schauspiel Hannover, Sonja Anders, teil.
Fast die Hälfte aller Erwerbstätigen blicke mit großer Sorge in die Zukunft, zitierte Professor Dr. Dahling-Sander, Geschäftsführer der Hanns-Lilje-Stiftung, eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung. Er leitete den Abend ein, der unter dem Titel „Machen wir uns doch nix vor! – Wie Kirche, Kultur und Gesellschaft jetzt unsere Demokratie stärken können“ stand. Dem starken Zulauf zu populistischen Positionen gelte es, eine wehrhafte Demokratie entgegenzusetzen. Das erfordere mutige Äußerungen in der Öffentlichkeit sowie die Überwindung von Rückzügen aus Bequemlichkeit. Kirche und Kulturinstitutionen seien in ihrer Rolle zur Stärkung der Demokratie gefragt, sagte Dahling-Sander.
In seinem Impuls wies Prantl darauf hin, dass Demokratie als Lebensprinzip und Wertegemeinschaft immer wieder neu gelernt werden müsse. Zwar sei das Volk der Souverän, doch der Respekt vor dessen Willen müsse begrenzt werden, wenn dieser eine rechtsextreme Partei an die Regierung wähle. „Souverän im Rechtsstaat ist, wer die Grundrechte verteidigt“, sagte der Journalist. Das Land in den Ausnahmezustand treiben und das sogenannte „System“ stürzen zu wollen, „das ist Staatsstreicherei“. Notfalls könne zur Verteidigung der Grundrechte auch ein Parteiverbot gehören.
Zu den demokratiebewahrenden Institutionen gehöre auch die Kirche, sagte Prantl weiter. Kirchen seien Orte der notwendigen Unterbrechung und der Stille, das habe sich auch in ihrem Kampf um den freien Sonntag gezeigt. Er warnte allerdings die Kirchen davor, angesichts des Mitgliederschwundes und einer Angst vor Bedeutungsverlust nur noch um sich selbst zu kreisen. Der Kolumnist forderte sie zu Visionen auf „die den Alltag der Menschen tragen können“. „Es täte Staat und Gesellschaft nicht gut, wenn die Kirchen verschwinden würden“, betonte er. Sie könnten die Antworten auf die „ganz großen, letzten Fragen“ geben, sie bildeten ein „Gehäuse für Werte wie Nächstenliebe, Gerechtigkeit, Solidarität und Aussöhnung“. Gegen die „gegenwärtig entgleisende Modernisierung“ setzte Prantl die „Kraft der Hoffnung, die in den Religionen aufbewahrt wird.“ Jenseits eines blinden Optimismus und einer „Egozentrik der Hoffnungslosigkeit“ stecke in der Hoffnung die Kraft zum Handeln, gerade auch angesichts noch nicht greifbarer Lösungen. Kritisch blickt der Journalist auf die Rolle der Kirchen in der Corona-Zeit zurück. Trotz starken innerkirchlichen Engagements sei die Kirche nach außen „kleinmütig und angepasst“ erschienen.
Schnelle Lösungen werde es auch in der Flüchtlingsfrage nicht geben, stellte Prantl fest, erst recht nicht mit einer „Flüchtlingsabwehrpolitik“. Er sprach sich dafür aus, Fluchtursachen zu bekämpfen und als europäisches Zeichen der Menschlichkeit Einwanderungsregeln zu formulieren. Hoffnung auf Friedensverhandlungen forderte der Jurist auch angesichts des Ukraine-Krieges, in dem „Krieg nicht die Politik ersetzen darf“. Der bundesrepublikanischen Gesellschaft attestierte Prantl eine starke Zivilgesellschaft mit engagierten Bürgerinnen und Bürgern sowie Ehrenamtlichen. Er kritisierte jedoch eine zunehmende Tendenz des Staates, sich bei sozialstaatlichen Aufgaben auf private Initiativen zu verlassen. Die Tafeln zur Lebensmittelausgabe bezeichnete er als „Kapitulationserklärung“ eines Staates, der das Versprechen „Wohlstand für alle“ nicht mehr halten könne.