Beziehungen suchen oder Kontakte abbrechen? Das war eine der Fragen beim Hanns-Lilje-Forum in der Kreuzkirche in Hannover zwei Tage vor dem Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine. Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Konfessionen diskutierten vor gut 100 Besucherinnen und Besuchern unter anderem über die kirchliche Haltung zur russisch-orthodoxen Kirche. Deren Patriarch Kyrill II. liefert mit seinem Herrschaftsanspruch, der weit über russisches Territorium hinausreicht, ein entscheidendes Argumentationsmuster für die imperialistischen Motive des russischen Machthabers Putin, wie der Oldenburger Theologe und Experte für die russisch-orthodoxe Kirche, Prof. Dr. Dr. Joachim Willems, zu Beginn der Veranstaltung ausführte.
Einig waren sich Willems, Regionalbischöfin Dr. Petra Bahr (Hannover), Professor Dr. René W. Dausner (Institut für Katholische Theologie der Universität Hildesheim) und Erzpriester Milan Pejic von der Serbischen Orthodoxen Diözese in Deutschland darin, dass die theologischen Argumentationsmuster und die vermeintliche historische Legitimierung des russischen Herrschaftsanspruchs über die Ukraine klar abzulehnen sei.
Petra Bahr unterstrich ihre Forderung, dass die Versammlung des Weltkirchenrates im vergangenen Jahr die Kontakte zur russisch-orthodoxen Kirche hätte aussetzen sollen. Joachim Willems, der als Experte der russisch-orthodoxen Kirche gilt, sah angesichts der hierarchischen Struktur russischen Kirche wenig Chancen für Vermittlungsversuche wie es Papst Franziskus im letzten Jahr versucht hatte. Dagegen insistierte Milan Pejic aufgrund seiner eigenen Erfahrungen darauf, auch weiterhin jede Form des Kontakts vor und auch hinter den Kulissen zu suchen, auch mit Blick auf die Zeit nach einem Ende des Kriegs. Dass persönliche Kontakte gepflegt werden sollten, war unter den Diskutant*innen allerdings unstrittig.
Was bisher auch in den innerkirchlichen Debatten zu kurz komme, sei eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den kirchlichen Wurzeln dieses Krieges, beschrieb Professor Dr. Christoph Dahling-Sander, Sekretär der Hanns-Lilje-Stiftung, eine wesentliche Erkenntnis der Diskussion. Bei theologischen Argumentationsmustern, wie sie in den Predigten des russisch-orthodoxen Patriarchen deutlich würden, sei es Aufgabe der Kirchen, theologisch dagegen zu halten und dieses auch in die politischen Debatten einzutragen.
(Text: EMA)