Wie die Mehrheit der deutschen Protestanten
hatte auch Hanns Lilje den „nationalen Aufbruch“ zunächst begrüßt. Für ihn knüpfte sich daran die Hoffnung, dass die als Volksbewegung, weniger als politischer Faktor, begriffene nationalsozialistische Bewegung auch für die Kirche zu einer Zurückgewinnung nationaler Stärke führen würde“, so Harry Oelke, der Liljes Wirken in der Weimarer Republik und im Kirchenkampf erforscht hat. Eine Hoffnung, die sich bald als Illusion erweist: Nach der Übernahme der Regierung durch die Nationalsozialisten musste auch Lilje feststellen, dass die neuen Machthaber eine „Gleichschaltung der Kirche“ anstrebten. Als Mittel diente dem Regime dabei die „Glaubensbewegung der Deutschen Christen“, ein Sammelbecken evangelischer Anhänger des Nationalsozialismus, die eine Umdeutung der christlichen Lehre im Sinne der NS-Ideologie anstrebten. Für Lilje, von 1927 bis 1935 Generalsekretär der Deutschen Christlichen Studentenvereinigung und 1932 bis 1935 Vizepräsident des Christlichen Studentenweltbundes, waren solche Ideen schlicht „Irrlehren“. Er engagierte sich im Widerstand der bekenntnistreuen Protestanten, stritt gegen eine feindliche Übernahme der evangelischen Kirchen durch die Deutschen Christen. Er war Mitbegründer der „Jungreformatorischen Bewegung“ und gab unter anderem die „Junge Kirche“ heraus, das Mitteilungsblatt der „Bekennenden Kirche“. Wie viele Anhänger der Bekennenden Kirche betrachtete auch Lilje den sogenannten Kirchenkampf als interne kirchliche Angelegenheit. Mit öffentlicher Kritik am NS-Staat und seiner Ideologie hielt er sich zurück. Für den Kirchenhistoriker Hans Otte, langjähriger Leiter des Landeskirchlichen Archivs in Hannover, ein typisches Erbe des Protestantismus: „Traditionell galt die Devise, die Kirche habe sich aus der Politik herauszuhalten. Dem Staat als einer von Gott eingesetzten Obrigkeit schuldete man Loyalität.“