Die Preisträgerinnen des Hanns-Lilje-Stiftungspreises 2019

Prof. Dr. Claudia Jahnel

Interkulturelle Theologie und Kulturwissenschaft. Untersucht am Beispiel afrikanischer Theologie
(Habilitation, Stuttgart 2016)

Dr. Claudia Jahnel ist seit 2017 Professorin für Interkulturelle Theologie und Körperlichkeit an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum.

Mit dem scharfsinnigen Brückenschlag zwischen Kulturwissenschaft und Afrikanischer Theologie überzeugt Prof. Dr. Claudia Jahnel die Jury. Ihr gelingt es, Anregungen für Migrationsdebatten wie auch für Diskurse in der Entwicklungspolitik zu geben. Im Zentrum steht dabei die Entdeckung der gesellschaftlichen und politischen Relevanz afrikanischer Theologien. Höchst sensibel und äußerst versiert analysiert sie dazu die Konstruktionen von Kultur. Die exzellente wissenschaftstheoretische Reflexion interkultureller Herausforderungen macht deutlich, wie sehr aktuelle politische und gesellschaftliche Debatten noch durch koloniale Denkmuster und abwertende Fremdzuschreibungen geprägt sind. „Das mit afrikanischer Theologie Bezeichnete liegt nicht einfach als gegeben vor, sondern ist – so wie auch die Erfindung „Afrikas“, „der Afrikaner“ oder „der afrikanischen Kultur“ – das Ergebnis einer machtvollen Wissensproduktion.“ Die Analyse Jahnels bietet dagegen auf höchstem Niveau einen differenzierten Neuzugang. Afrikanische Theologien – und dementsprechend auch europäische / westliche Theologien – analysiert sie als Produkte zahlreicher kultureller, gesellschaftlicher und wissenschaftlicher Diskurse, die transnational und interkulturell bzw. transkulturell geprägt sind. Gerade deshalb spricht sie von „Interkultureller Theologie“ – Interkulturelle Theologie als eine Suche nach einer relationalen Wahrheit, kritisch und selbstreflexiv. So legt sie Grundlagen für wechselseitige interkulturelle Lernprozesse, in denen Theologie hier wie dort Wirkung in Politik und Gesellschaft zu entfalten vermag. Damit stößt Jahnel beispielgebend neue Diskurse an, die weit über die Theologie hinausgehen und das Zusammenleben in einer pluralen Gesellschaft fördern.

Prof. Dr. Rebekka Klein

Depotenzierung der Souveränität. Religion und politische Ideologie bei Claude Lefort, Slavoj Žižek und Karl Barth
(Habilitation, Tübingen 2022)

Dr. Rebekka Klein ist seit 2017 Professorin für Systematische Theologie / Ökumene und Dogmatik und Direktorin des Ökumenischen Instituts der Ruhr-Universität Bochum.

Mit ihrer Habilitation überzeugt Prof. Dr. Rebekka Klein die Jury durch ihre außerordentliche Versiertheit, die politischen Philosophen Claude Lefort und Slavoj Žižek mit Karl Barth, dem schulbildenden Theologen des 20. Jahrhunderts, produktiv ins Gespräch zu bringen. Die Fragestellung Kleins ist hoch relevant für das gesellschaftliche Zusammenleben in vielen Ländern: Rufe nach einem starken Staat drohen Demokratien auszuhöhlen. Staatliche Souveränität als Grundlage einer freiheitlichen, demokratischen und pluralen Gesellschaft soll durch rechtspopulistische und nationalistische Bewegungen neu definiert werden. Die damit verbundenen Konstruktionen staatlicher Macht, die zum Teil religiös begründet werden, fordern mit anderen Worten zu einer wehrhaften Demokratie heraus. Kleins Beitrag liegt darin, die emanzipatorische Kraft philosophischer und theologischer Begründungen für eine staatliche Souveränität herauszuarbeiten und gleichzeitig diese aber auch in Frage zu stellen. Die Bekämpfung neuer Ideologien könne durchaus ideologisch sein, müsse sich aber selbst einer steten Ideologiekritik unterwerfen. Dies gelte für philosophisch wie auch für theologisch begründete Kritiken an totalitärem Denken und Handeln. Mit anderen Worten: Depotenzierung der Souveränität als reflexive Ideologiekritik ist nötig und dafür bieten sowohl Philosophie als auch Theologie ein hohes Potential.

Die brillante Studie leistet einen fundamentalen Beitrag zu hochaktuellen Debatten und ist letztlich ein scharfsinniges Plädoyer für eine freiheitlich-demokratische Grundordnung. Sie zeigt in hervorragender Weise die Wirksamkeit von Philosophie und Theologie für die Zukunft von Politik und Gesellschaft.